Krank, zugewandert, nicht versichert?

Verschiedene Personengruppen haben in Deutschland keinen ausreichenden Zugang zu einer regulären gesundheitlichen Versorgung. Für Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus, für Drittstaatler*innen, Unionsbürger*innen, aber auch deutsche Nicht-Versicherte existieren u.a. sozialrechtliche Zugangsbarrieren. Seit vielen Jahren kompensieren hier bundesweit zivilgesellschaftliche und zunehmend auch kommunal organisierte Parallelstrukturen, d.h. medizinische Anlaufstellen vor Ort notdürftig durch eine begrenzte Primärversorgung, z. B. Medibüros/MediNetze, OpenMed, MalteserMigrantenMedizin, Clearingstellen uwm. Auch gesundheitswissenschaftlich handelt es sich um ein unterforschtes Handlungsfeld. Für Menschen ohne Papiere beispielweise gibt es kaum empirische Daten über Zahl, soziodemographische Parameter, Gesundheitszustand etc. der Betroffenen; es existieren einige qualitative und vereinzelt regional bezogene Studien. Vor allem gibt es aber umfangreiches lokales Praxiswissen, das bisher nicht systematisch aufgearbeitet ist. Anliegen des Buchprojekts ist es, die strukturellen Versorgungsprobleme von Nicht-(ausreichend) Versicherten aufzuarbeiten und den aktuellen Forschungsstand zur Versorgungslage der genannten Personengruppen sichtbar zu machen. Zu Wort kommen sollen Autor*innen mit unterschiedlichen wissenschaftlich-analytischen Perspektiven, um jüngere Entwicklungen in der Forschung zu dem Gebiet (und deren Lücken) deutlich werden zu lassen. Unter den Autor*innen soll im Prozess des Projekts ein Austausch moderiert werden wird, mit dem Ziel, den konzeptionellen Rahmen des Buches ggf. gemeinsam zu weiterzuentwickeln. Neben der fachlichen Relevanz begründet sich das Buchprojekt auch durch seine politische Aktualität: Der gegenwärtige Koalitionsvertrag der Bundesregierung formuliert erstmals: ?Wir werden für Menschen mit ungeklärtem Versicherungsstatus, wie insbesondere Wohnungslose, den Zugang zur Krankenversicherung und zur Versorgung prüfen und im Sinne der Betroffenenklären.", und ?Die Meldepflichten von Menschen ohne Papiere wollen wir überarbeiten, damit Kranke nicht davon abgehalten werden, sich behandeln zu lassen." (Koalitionsvertrag 2021, S. 88 und S. 139). Es besteht fachpolitisch unter den Akteur*innen im Feld eine hohe Einigkeit über die zumindest symbolisch hohe Bedeutung dieses Passus. Dieser politische Rahmen soll als Möglichkeitsfenster und anlassbezogener Rahmen des Buchprojekts genutzt werden. Der Band richtet sich an Studierende, Forschende und fachpolitische Akteure im Handlungsfeld, aber auch engagierte Zivilgesellschaft. Er soll einen Beitrag dazu leisten, Argumentationsstrategien für eine verstärkte Forschungsförderung sowie wissenschaftlich fundierte Advocacy-Arbeit zur Umsetzung des Menschenrechts auf Gesundheit zu unterstützen.