Wehrdienst und Verweigerung als komplementres Handeln

Bei Grndung der Bundesrepublik Deutschland wurde mit Art. 4 Abs. 3 GG erstmals in einem deutschen Staatswesen ein Verfassungsrecht auf Kriegsdienstverweigerung verankert. Den Protestantismus stellte das vor eine neue Frage: Knnten Protestanten in einer westdeutschen Armee Wehrdienst leisten oder mssten sie von ihrem Verweigerungsrecht Gebrauch machen? Im Rahmen der hitzig gefhrten Debatten um die Wieder- und Atombewaffnung der Bundesrepublik argumentierte der linksprotestantische Flgel klar fr die Verweigerungsoption whrend der konservativ-lutherische Flgel fr die Dienstpflicht optierte. Beide formulierten dabei hohe normative Ansprche an die Gewissensentscheidung des Einzelnen. Erst als die Kircheneinheit an der Frage einer Beteiligung an der Atombewaffnung zu zerbrechen drohte, wurde mit der Komplementarittsformel der Heidelberger Thesen die Entscheidung ganz in das Gewissen des Einzelnen verschoben. Hendrik Meyer-Magister zeigt, wie sich dies als massiver Individualisierungsschub fr die Ethik des Nachkriegsprotestantismus interpretieren lsst.