Visio mystica im Spannungsfeld frhchristlicher berlieferungen

Dmitrij Bumazhnov widmet sich dem Problem der spirituellen Traditionen im frhen gyptischen Mnchtum. Am Beispiel der visio mystica in den sog. Antoniusbriefen, in der pachomianischen Tradition, in den Apophthegmata patrum, bei dem hl. Johannes Cassian, in den Briefen des hl. Ammonas, im Traktat De patientia des Ps.-Ammonas und in den Schriften des hl. Epiphanius von Salamis demonstriert er, dass das gyptische Mnchtum im 4. Jh. zwei unabhngige und miteinander konkurrierende Traditionen der mystischen Schau - die unmittelbare Augenschau und die mentale Gottesschau - kannte, die sich auf die biblische und parabiblische berlieferung einerseits und auf die christlich-platonische Tradition andererseits zurckfhren lassen. Strittig dabei ist die Frage, ob man die Gottheit mit bloen Augen betrachten kann. Das Bestehen der beiden mnchisch-gyptischen Traditionen weist der Autor fr die Zeit gegen 370 nach, womit er eine Vorstufe des ersten origenistischen Streites 399 in gypten dokumentiert. Das Auseinanderhalten der beiden Traditionen liefert einen wichtigen Ansatzpunkt fr das Studium der weitgehend unbekannten Anfnge des Mnchtums im Niltal. Die Analyse der Briefe des sog. Antoniuskorpus zeigt auerdem, dass der erste Brief und die Briefe 2-7 auf unterschiedliche Autoren zurckgehen, wobei der Brief 1 mit grerer Wahrscheinlichkeit dem Vater der Mnche zugeschrieben werden kann als der Rest der Sammlung. In Bezug auf das Traktat De patientia des Ps.-Ammonas wird deutlich, dass dieser Text im spten 4. Jh. in den origenistischen mnchischen Kreisen gyptens entstanden ist.