Das Gesetz der Kunst, die Freiheit des Kunstlers

"Es war das hauptschlich die Erwgung der hohen Wichtigkeit der Kunstphilosophie gerade fr unsere Zeit und die fernere Erwgung des tiefen Verfalls und der noch tieferen Ungunst, woran dieselbe gleichwohl bei dem starken Vorwiegen der materiellen Interessen mit der gesamten Philosophie zu leiden hat.
So sehr unsere Zeit mit praktischeren, drngenderen Fragen berladen zu sein scheint, halte ich deshalb die Arbeit an sthetischen Aufgaben keineswegs fr zu entlegen und nebenschlich. Wer an den grossen Kulturinteressen der Menschheit irgend Teil nimmt und dabei nicht ganz aus der Hand in den Mund lebt, kann die ethisch -praktische Bedeutung mancher noch ungelsten sthetischen Fragen fr die hhere konomie des Vlkerlebens unmglich verkennen.
Wenn wir von den Problemen der hohen Metaphysik: Gott, Freiheit, Unsterblichkeit und andrerseits von entschieden praktischen Aufgaben absehen, so bleiben wohl wenige Fragen brig, die den menschlichen Geist so vielfach beschftigt und so verschiedene Antworten gefunden haben als die Frage nach der Gesetzmssigkeit der Kunst. Gesetz und Freiheit finden wir als Stichworte einer in allen Lebenskreisen verbreiteten Kontroverse, einer Streitfrage, um welche alle Welt sich in Parteien gruppiert in dem mehr oder minder deutlichen Bewusstsein, dass es sich damit um den Kern des Wesens der Kunst und der Schnheit selbst handelt. Ja noch darber hinaus scheint die Tragweite dieser Frage sich zu erstrecken und was dem Streite hier und da eine etwas lebhaftere Frbung gibt das drfte die nicht undeutliche Vorahnung sein, dass in der knstlerischen zugleich die sittliche und brgerliche Freiheit und in der sthetischen alle Gesetzmssigkeit und Zucht beschlossen sei." [...]
Dieses Buch ist ein unvernderter Nachdruck der Originalausgabe von 1869.