ber die Herausforderung der Verschiedenheit und die neue Wertereligion

In ihren Festreden anlsslich der Verleihung des Dr. Leopold Lucas-Preises des Jahres 2020 stellen Adam B. Seligman und Linda Woodhead ihre unterschiedlichen Anstze zum Zusammenhang von Religion und Gesellschaft prgnant und anschaulich dar. Seligman zeichnet aus sozialpsychologischer Perspektive nach, wie das Zugehrigkeitsgefhl zu einer Gruppe konstruiert und erlernt wird. Da gesellschaftlich geformte Kategorien die Selbst- und Weltwahrnehmung prgen, fordert die Begegnung mit Angehrigen anderer Gruppen immer auch die eigene Selbstwahrnehmung heraus und kann Unbehagen auslsen. Er problematisiert verschiedene gngige Strategien, dieses durch Differenzerfahrung ausgelste Unbehagen aufzulsen und pldiert schlielich dafr, dass Angehrige verschiedener Religionsgemeinschaften in einer religis pluralistischen Gesellschaft dazu bereit sein mssen, dieses Unbehagen auszuhalten und sich eines Urteils ber die Weltsicht der anderen zu enthalten. Linda Woodhead befasst sich in ihrer Rede mit dem Bedeutungsverlust christlicher Religion in den liberalen Demokratien des Westens. Dieser Bedeutungsverlust ist nach ihren soziologischen Forschungen nicht gleichzusetzen mit einem Ende der Religion, vielmehr bernehmen moralische Werte Funktionen der Religion. Diese Religion der Werte zeichnet sich durch einen Fokus auf Selbstverwirklichung aus, whrend altruistische Wertvorstellungen parallel zum Christentum an Bedeutung verlieren. Die historischen Wurzeln fr diese Entwicklung sieht Woodhead in einer zunehmenden Moralisierung des Christentums, die Religion stark oder ausschlielich ber Werte definiert. In der Folge absorbieren Wertberzeugungen Funktionen der Religion, prgen das Identittsgefhl und Wahrnehmungen der Zusammengehrigkeit und Differenz. Dagegen knnen viele spirituelle Bedrfnisse weder von den moralisierten Religionen noch von der neuen Wertereligion erfllt werden. Dadurch lsst sich das (Wieder-)Auftauchen vieler spiritueller und magischer Praktiken erklren.